Ja und ich gehöre zu den Stimmen, die sagen, es gibt Führungskräfte – aber keine gesunde Führung. Gerade im Management signalisieren zunehmende Zahlen von seelischen Erkrankungen, Produktivitätsverlusten und „Präsentismus“ das Ausdehnen der ungesunden Führung. Der Mensch im Arbeitsleben ist scheinbar präsent, aber eben nicht selbständig und eigenverantwortlich aktiv – es geht eher um „bloß keinen Ärger bekommen“.
Was später in Fallzahlen für Diagnosen zu Ängsten, Suchtkrankheiten, Depression und Burnout und in Fehlzeiten im Controlling endet, beginnt weit früher in dem einzelnen Menschen mit Anzeichen wie Einsamkeit, Sinnleere, Magenschmerzen oder Schlafproblemen.
Und es beginnt in der Führungskraft: Diese Anzeichen werden im Spannungsfeld von schwindender Macht und erhöhtem Druck als störend beiseitegeschoben. Die Führungskraft macht weiter wie bisher. Als Folge nimmt die Entscheidungsgüte immer mehr ab. Um dann Entscheidungen mit immer geringerer Entscheidungsgüte „durchzuboxen“, bedarf es vieler Druckmittel und Instrumente. Der Teufelskreis von Macht und Druck zieht an, Dichte und Verfestigung nehmen zu, so dass es nicht nur von den Mitarbeitern sondern auch von Kollegen in der Führung, von Angehörigen und Netzwerkpartnern wahrgenommen wird. Dies verändert auch deren Verhalten, was den Druck weiter erhöht – bis es zur Explosion der FK (Ausbruch von Emotionen oder Kündigung) oder zur Implosion (Krankheiten oder Outsourcing) kommt. Bis dahin machen alle mit. Mein bester Freund nennt dies auch „Kadaver-Gehorsam“: Die Betroffenen wissen, dass die „Nahrung“ vergiftet ist und „verdauen“ diese dennoch.
Es hat Gründe auf drei unterschiedlichen Ebenen:
- Erfolg wird in unserem Land sehr zweifelhaft über einen Überfluss an Geld für den Erfolgreichen definiert. Dies sieht man daran, dass Produktion und Verkauf von Produkten „erfolgreich“ laufen, die sich leider auch auf Kinderarbeit, gesundheitlichen Risiken für die Arbeitnehmer, Betrug oder Umweltverschmutzung stützen. Wir brauchen mehr Erfolgsfaktoren, auch solche, die über den Tellerrand des einen Unternehmens heraus das Wirtschaftsumfeld berücksichtigen.
- Erfolg braucht auch menschliche Kennzahlen wie Gesundheit, Ehrlichkeit, Leistungsgerechtigkeit, Zufriedenheit etc. Diese gelten natürlich für Mitarbeiter wie auch Führungskräfte. Und wir brauchen mehr Transparenz über die Qualität und den Sinn unserer Prozesse, bspw. anhand von Reifegraden.
- Um all das schließt sich dann der Kreis der systemischen Erfolgsbetrachtung: Die Qualität aller beteiligten Beziehungen, der (Unternehmens-) Kultur, des gesellschaftlichen Engagements und anderer guten Sitten. Wir brauchen einen „Verbundwert“.
Wer führt, geht mit offenen Sinnen voran, gestaltet Mehrwert, indem er gemeinsame Verständnisräume schafft, Zeitsouveränität fördert, kontinuierlich Potenziale entfaltet, flexiblere Prozesse gestaltet und eine gesunde Werte-Balance schafft. Die Kennzahlen hierzu müssen über den bisherigen Tellerrand hinausgehen und allen drei Ebenen umfassender gerecht werden: Substanz, Mensch und Beziehung sind in den Denk- und Handlungsraum zu holen, in der Führung Tag für Tag zu berücksichtigen und mit Energie auf Führungsziele zu lenken, die diesem ganzheitlichen Ansatz gerecht werden. Das funktioniert und wir zeigen gerne wie.
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